Die folgenden Möbelabbildungen sind grösstenteils Exponate unserer Sammlung oder Restaurier-Aufträge unserer Kunden. Auf dieser Seite sind wir versucht, Ihnen als geschätzte "virtuelle Museumsbesucher" an einigen Stuhlmodellen interessante Aspekte oder Details aufzuzeigen und hoffen, Ihnen damit vielleicht einen weiteren Einblick in die Faszination und Vielfältigkeit der an Dampf gebogenen Möbel geben zu können. Weitere interessante oder formenschöne Sitzmöbel werden auf dieser Seite laufend als Ergänzung der Galerie gezeigt. Sie sind jedoch in aller Regel nicht käuflich erwerblich.
Kenner sind an dieser Stelle herzlich eingeladen, uns versehentliche textliche Unstimmigkeiten oder neue Erkenntnisse zu den Bugholzmöbeln gerne mitzuteilen.
Nr. 72
Thonet Sessel Nummer 13 um 1890 (nachgewiesen seit mindestens 1859).
Die 13er sind immer mit Feingeflecht gemacht und haben eine völlig andere Rahmenkonstruktion, wie die sonst üblichen Bugholzstühle, bestehend aus einem oberen Sitz-Hauptrahmen und einem unteren Rahmen, der nach vorne hin die Vorderbeine bildet, die Luke ist gefüllt mit einem kleinen "Augen"-Ornament, welches jedoch gesägt, und nicht gebogen ist.
Nummer 13 ist sehr gesucht.
66. Die Modellnummer 9 war bei Thonet in zwei verschiedenen Versionen und in zwei verschiedenen Zeiträumen im Programm. Diese Tatsache kann man bei Thonet als eine der wenigen Ausnahmen betrachten, ansonsten die meisten Modelle ihre Nummern während der ganzen Laufzeit behielten. Die Produktionszeit des ersten 9ers kann von 1859 bis spätestens 1879 angenommen werden. Auffallend ist die Bein-Sitzrahmen-Kostruktion, wie sie auch beim seltenen 6er anzutreffen ist. Im Grunde ist Nummer 9 der gleiche Stuhl wie Nummer 6, einfach ohne dieses obere Lehnen-Zierelement (vergleiche den 6er, unsere Nr. 53a).
Diese alte Version des 9ers ist wohl noch nie gefunden worden, jedenfalls ist uns niemand und kein Museum bekannt, der diesen Stuhl je gesehen hat oder im Besitz hat, deshalb können wir hier nur ein Plakatauszug wiedergeben. Die frühen Versionen hatten noch keinen Fussring zur Beinstabilisation, dieser wurde erst ab etwa 1860 zusätzlich montiert (vergleiche mit unserer Nr 53a).
65. Der 9er, wie er um 1910 wieder produziert wurde (Katalognachweis 1911), allerdings in komplett anderer Version, so anders, dass man sagen kann, hier hat Thonet den alten Platzhalter 9 für einen neuen Stuhl aufgefüllt. Doch lange lief auch diese Type nicht im Programm von Thonet, nämlich nur einige Jahre um die Jahrhundert-Wende, wohl etwa bis zum ersten Krieg, dann wurde sie wieder aus dem Programm genommen. Der Grund ist unklar. Bei der Konkurrenzfirma Kohn lief diese elegante Stuhltype, bei welcher die Hinterbeine in den Innenbogen führen, seit etwa 1878 bis mindestens 1900 oder länger, als absolutes Erfolgsmodell unter der Katalogsnummer 30 (siehe unser Punkt 01). Kohn hat also dieses Modell sicherlich vor Thonet entwickelt und seit etwa 1878 im Programm.
64. Hier folgt -nach unten aufgereiht bis Nummer 59- eine kleine Übersicht über die Klappmöbel, genauer gesagt, über die Camin-klappmöbel von Thonet, denn es gibt eine hübsche Anzahl verschiedener Modelle und Varianten. Hier im Bild "THONET CAMINSESSEL Nr. 1 ZUM ZUSAMMENLEGEN". Das Modell ist seit 1863 bei Thonet bekannt (Quelle Ellenberg).
63. Gleiches Modell wie oben gezeigt, allerdings mit Armlehnen und so heisst es "THONET CAMINSESSEL NR. 1 MIT ARMLEHNEN, ZUM ZUSAMMENLEGEN". Dieses Modell taucht allerdings erst im Katalog von 1879 auf, also in der Entwicklung bei Thonet erst 15 Jahre später.
62. Hier sehen Sie die gleiche Modellreihe wie oben, allerdings noch zusätzlich mit einer Fusslage. Das Modell heisst "THONET CAMINSESSEL MIT ARMLEHNEN UND FUSSLAGE, ZUM ZUSAMMENLEGEN". Leider haben wir das Möbel nicht und zeigen hier eine Katalogsabbildung. Das Möbel ist seit 1879 in der Produktion bei Thonet nachgewiesen.
61. Das hier gezeigte Modell ist der "THONET CAMINFAUTEUIL mit der zusätzlichen Bezeichnung "FEST". Er ist ab 1879 in den Katalogen nachgewiesen. Dieses Möbel ist also nicht zusammenlegbar.
Hier das Konkurrenzmodell der Firma J. & J. Kohn, allerdings mit hinten wunderbar abgebogener Rückenlehne, was tatsächlich besseren Konfort und entspannteres Verweilen einbringt.
Hier der wunderbare Barbierfauteuil von Thonet, ähnliche Gestaltungsweise, wie die Kaminfauteuils, nur dass sich das Rückenteil für den Kunden hoch und tief schieben lässt und natürlich die Biegung für die Kopfpartie stärker nach hinten ausgeprägt ist. Zudem wurde ein Verstärkungsring hinten einmontiert, zum einen wohl der besseren Stabilität wegen, weil ja das Rückenteil bewegbar sein muss und zum anderen auch, damit der Barbier den Fuss abstellen kann, um so das sichere Einstellen des Rückens zu bewerkstelligen, während die Person bereits platzgenommen hat.
Die Modelle haben an den Vorderfüssen gute Metall-Gleiter, um das Möbel mitsamt Person zu bewegen, oder manchmal sogar kleine Möbelstahlrollen.
60. Und hier zunächst eine kleine Veranschaulichung, wie "DER CHEF", also der grosse Caminfauteuil von THONET (siehe auch unteres Bild) zusammen-legbar ist. Faszinierend, wenn jemand ein solches Möbel besitzt, es aus der Ecke holt und es dann so aufklappt und hinstellt... Wunderwelt der Bugholzmöbel!!
59. Und hier ist der Caminfauteuil von Thonet in seiner Komplettheit. Er heisst "THONET CAMINFAUTEUIL NR. 1 MIT FUSSLAGE, ZUM ZUSAMMEN-LEGEN" und kostete um 1895 bei Thonet in Wien 22 Flurin. Das Möbel ist seit 1863 bei Thonet nachgewiesen (Quelle Ellenberg)
58. Thonet Sessel Nr. 31, nachgewiesen seit 1880. Die Hinterbeine bilden das Innenmotiv der Rückenlehne. Danach folgten einige Modellvarianten, unter anderem auch das Modell mit kleinerem Sitz und ohne Ring in der Rückenlehne Nr. 31 1/2, siehe hierzu unsere Objektnummer 05.
57. Thonet Sessel Nr. 21. Ein sehr sammelwürdiges Modell, das kaum im Original von Thonet zu finden ist und wenn, dann meist in sehr schlechtem Zustand, oft mit aus der Form geratener Rückenlehne oder gebrochenen Hörnchen.
Der 21er könnte unter Fachleuten als bei Thonet "neu aufgegriffenes Thema" gelten, denn an der Münchner Gewerbeausstellung von 1854 (siehe auch unser Punkt 43 weiter unten) ist ein ganz ähnlich konstruiertes Modell im Hintergrund sichtbar, welches aber nebst den damals noch nicht bekannten Fussreifen auch nicht einmal den Rückenlehn-Innenbogen besitzt. Dieses dort gezeigte sehr spartanische Modell wurde in der Form vermutlich später zum Modell Nr. 1 (unser Punkt 43a), ganz einfach deshalb, weil es den Beanspruchungen wohl kaum lange standhielt und nirgends im Programm oder auf Plakaten von Thonet wirklich nachgewiesen ist. Aber selbst der nun ab zirka 1870 bis 1882 produzierte 21er war vermutlich auch 16 Jahre später wiederum kein Erfolg bei Thonet, denn sonst hätte man den Stuhl nicht nur gerade mal 12 Jahre im Programm gehabt. Der Stuhl hat durch die unterbrochene Rückenlehne einfach zu wenig Gesamthalt, kann schief gedrückt werden und auch die Hörnchen sind vermutlich gerade für den Café- und Restaurantbetrieb zu schwach, wenn Stühle zum Putzen hochgestuhlt werden und wieder herunterfallen können etc etc..
Wenn Sie also einen original-signierten Thonetsessel Nr. 21 haben, besitzen Sie eine echte Rarität, denn die Produktionszeit ist wie beschrieben, stark eingegrenzt, also von 1870 - 1882!
56. Thonet Sessel Nr. 30 in Eichenholz-Immitation. Diese Immitation wurde so täuschend echt von Thonet (und auch Kohn) auf das Buchenholz aufgetragen, mit gelbem Schellack und schwarz geritzt, dass der Betrachter nie auf gewöhnliches Buchenholz kommen würde, sondern meint, er hätte eine seltene Ausführung eines Thonetstuhls in gebogenem Eichenholz.
Der 30er wurde ab 1880 produziert (Quelle Ellenberg) und ist kaum findbar. Wohl war seine Fertigung zu teuer. Das gezeigte Modell dürfte um den Zeitraum 1890 produziert worden sein.
55. Thonet Fauteuil Nr. 81, hier das Original um 1900. Das Modell ist aus der Zeit kaum zu finden, eine wirkliche Rarität. Die Kopien oder Neuauflagen des 81er von Thonet um 1980 sind hingegen zuhauf anzutreffen, mit Lederpolster oder Stoffen. Sehr formgetreu zwar, aber das Original ist natürlich nicht zu übertreffen.
54. Seltener Thonet Schaukelsessel, Modell Nr. 5, nachgewiesen seit mindestens 1867. Das gezeigte Modell ist mit THONET signiert (was bei Schauklern nicht immer der Fall ist) und wurde etwa um 1875 gefertigt. Warum heisst das Möbel "Schaukelsessel" und nicht Schaukelfauteuil, wie alle anderen Modelle? Ganz einfach, es ist das einzige Modell, welches keine Armlehnen besitzt! Steht da, schlicht und elegant und relativ schmal, fast wie ein Schlitten. Natürlich gibt es auch zu diesem Modell Thesen wie zum Beispiel diese hier: Interessanterweise fehlt bei Thonet von Beginn an bei den Schaukelfauteuils die Nummer 2. Warum das so ist, ist bis heute leider unbekannt geblieben. Auch in den vielen überlieferten Original-Thonetbriefen und Korrespondenzen wird nirgends eine Nummer 2 auch nur erwähnt. Die Nummer 1 ging 1861 in der Koritschaner Fabrik in Produktion, also muss doch darauf eine 2 entstanden sein? Wir finden nichts! Es folgen sogleich die Modelle Nr. 3,4,5,6 usw. Eine sehr vage Vermutung könnte gewesen sein, dass dieses gezeigte Modell Nr. 5 MIT Armlehnen die Nummer 2 gewesen sein könnte. Aber warum ist es dann nicht in Produktion gegangen? Den Sessel breiter konstruiert und die Lehnen angeschäftet, schon hätten wir den gesuchten Schaukler....wie gesagt, es sind Thesen, der wirkliche Grund für das Fehlen von Nr.
2 wird wohl nie ganz ausgeleuchtet werden können.
53a. Sehr seltener Thonet Sessel Nr. 6, mindestens nachgewiesen seit 1859. das gezeigte Modell wurde etwa 1875 gefertigt. Speziell an diesem Modell sind die Vorderbeine in Verbindung mit der Sitzrahmen-Konstruktion, welche aus 2 Elementen besteht und so gebündelt in die Vorderbeine verläuft. Die obere Lücke am Vorderbein wird durch ein tropfenförmiges Holzelement, das "Auge" genannt, harmonisch ausgefüllt. Ebenfalls speziell ist die sogenannte "Locke", also der Griffteil, welcher separat oben an der Lehne zusätzlich montiert wurde. Dieses Teil fehlt an den heute findbaren Modellen oft oder es sind nur noch Fragmente vorhanden. Kenner und Restauratoren sind mit dem Nachbau eines solchen fehlenden Teils überfordert, es ist bis heute nicht bekannt, mit welchen "Tricks" Thonet dieses Teil in so feiner Ausstattung gefertigt hat. Die Locke besteht immer aus 2 Schichten gebogenen Holzes, nämlich der oberen und der unteren Locke. die untere Locke wurde sogar 2-teilig, also aus einem linken und einem rechten "Hörnchen" dann mittig zusammengefügt. Interessanterweise ist die Locke nicht aus Buchenholz gefertigt, sondern aus anderen Holzarten, vermutlich Mahagoni, es ist aber nicht gesichert. Warum? Niemand weiss es. Die Nummer 6 ist eigentlich eine weiterentwickelte Variante zum Vormodell, der Nummer 5 (siehe unten). Die oben erwähnte Rahmen-Beinkostruktion taucht jedoch erstmals bei Nummer 6 auf und scheinbar krönte man diese verspielte "Unterkonstruktion" mit einer verspielten "Oberkonstruktion" nämlich der Locke. Das Modell war ein Drittel teurer als der 5er, vielleicht wurde er deshalb nicht oft bestellt oder sollte absichtlich eine bessergestellte Kundschaft für die ansonsten damals für "billig" gehaltenen Möbel, ansprechen.
53. Thonet Sessel Nr. 5, nachgewiesen seit mindestens 1859. Serienmässiger Trapezsitz mit Rillenform als Rahmen. Das von uns hier gezeigte Modell stammt von etwa 1878-80 und wurde bereits mit (vom Kunden zusätzlich bestellten) Aussteifungs-bügeln zwischen Sitz und Rücken ausgeliefert. Eines der gesuchtesten Modelle. Die Eleganz besticht! Vergeiche auch Nummer 53a, gleich oben dran, Thonet Modell Nr. 6.
52. Thonet Kinderspeise-Sessel Nr.1, gefertigt um 1870, es trägt das alte Thonet Etikett 1A (nach-gewiesen ist das Modell allerdings vor 1866, Quelle Ellenberg). Das mit einer speziellen Konstruktion de- und wieder-montierbare Spiel- oder Speisetablar für das Kind geht leider gerade deshalb oft verloren. Die spätere Form dieses Möbels (ab 1886) weist eine ergonomischere Rückenform auf, das Rückenornament wird kleiner und breiter, und wird nicht mehr oben und unten montiert, sondern nur noch seitlich (siehe Modell unten). Das am gezeigten alten Modell sichtbare Fussteil ist aus feinem Rohrgeflecht bespannt, am neueren Modell ab 1886 wird es durch eine einfache Sperrholzplatte mit Lochmuster ersetzt, welches ohne Einfassung direkt auf den gebogenen Beinring von oben geschraubt wurde.
52a. Thonet Kinderspeise-Sessel Nr. 1, spätere Form wie oben beschrieben, gefertigt ab 1886.
51. Thonet?
Jawohl Thonet! Hier versteht selbst der ausgekochte Kenner die Welt nicht mehr! Versuchen Sie nicht, dieses Modell in den Katalogen zu finden! Dabei handelt es sich mit Sicherheit um eine Sonder-bestellung, denn das Rückenmotiv stammt vom Sessel Nr. 24, während Sitzrahmen-Konstruktion und Beingestell der Nr. 13 entspringt! Alles original! Beides sind eh schon äusserst seltene Thonetstühle, hier zusammen-kombiniert! Unschön? Nicht im geringsten! Experten sind sich seit längerem einig, dass das "Baukastenprinzip Thonet" tatsächlich auf Wunsch (aber trotzdem wohl eher selten) auch angewandt wurde. Das Möbel trägt das alte Thonet-Etikett 1c welches auf das Fertigungsdatum um 1880/85 schliessen lässt. Eigentlich ein absolutes Museumsstück, das höchstwahrscheinlich kein zweites Mal so rasch zu finden ist. Dann aber bedenke man, das die wirklichen Thonetraritäten doch diejenigen sind, welche in Serie hergestellt wurden, von Zeit und Mensch belebt wurden und deshalb heute schwierig zu finden sind.
Links Modell Nr. 13, nachgewiesen seit 1859, rechts Modell nr. 24, nachgewiesen seit 1879 der bis anhin bekannten Kataloge, die oben gezeigten Abbildungen stammen aus dem Katalog von Thonet 1895.
50. "Der Lattenstuhl", so jedenfalls wird er gerne von Thonetkennern bezeichnet. Hier im Bild allerdings die Ausführung von Kohn mit der Katalogs-Bezeichnug 145, gefertigt etwa um 1900. (Bei Thonet Nr. 91, vergl. auch unsere Nummer 27). Das gezeigte Modell von Kohn ist sowohl von den Proportionen wie auch von der Aesthetik absolut identisch zu Thonet und wäre es nicht signiert, würde man kaum einen Unterschied erkennen! Der Entwurf (ca. 1895) liegt aber bei einem der Söhne Thonets, nämlich August Thonet, welcher für solche technischen Experimente im Hause Thonet stets die Feder führte. Auch die speziellen Rundkopfverschraubungen der einzelnen Latten sind bei Kohn exakt gleich wie bei Thonet hergestellt. Wer die Schrauben öffnen möchte, muss sich dafür ein Spezialwerkzeug anfertigen. Wirklich stabil sind die Lattenstühle auf Dauer wohl nicht, die flachen Vorderbeine sitzen schnell locker im Rahmen, die ganze Konstruktion kann sich über die Jahre stark verziehen. Ein äusserst seltenes Sammelobjekt!
49. Thonet Sessel Nr. 29/14, hier im Bild in originaler schwarzer Öl-Kohlenfarbe, gefertigt ca. 1890. Die Modellnummer 29/14 wird dann genannt, wenn es sich um eine Mischform zweier Stuhltypen handelt, nämlich dem regulären 29er mit Ovalsitz und Vorderbein-Kapitellen und dem Erfolgsmodell Nr. 14 mit Rundsitz. das Modell Nr. 29/14 wurde ab 1886 produziert. Früher nachgewiesen (1883) ist die Ausführung des regulären Stuhls Nr. 29. Interessant ist die Formensprache des Stuhls, hauptsächlich deshalb, weil die Hinterbeine die Schlaufen für das Lehn-Ornament bilden, während die Hauptlehne sich lediglich bis zum Sitz hin zieht und dort seitlich verschraubt ist. Durch diese Idee konnte in erster Linie langes astfreies Buchenholz, das es für die Rückenlehnen sonst braucht, eingespart werden und zweitens liessen sich dadurch etliche neue Stuhlformen entwickeln. Der 29er war allerdings nicht das erste Modell mit diesem neuartigen Konzept.
Links: das reguläre Modell Nr. 29 mit Ovalsitz und Vorderbein-Kapitellen, nachgewiesen seit 1883 der bis anhin bekannten Kataloge. Rechts: Modell Nr. 29/14 mit kreisrundem Sitz, nachgewiesen seit 1886 (Abbildungen aus dem Thonet-Katalog von 1895)
Auf- und Zuklappen des Möbels zu verhindern..... der genervte aber sehr geduldige Restaurator lässt grüssen :-)
48. Thonet Caminsessel Nr.1 mit Armlehnen (so die Bezeichnung in den frühen Katalogen). Nachgewiesen seit 1879. In den Thonet-Katalogen zurück bis 1886 ist der zusammen-klappbare Kaminsessel nicht mit vorn gerundeten Lehnen, sondern mit einer etwas eckigen und S-förmig geschwungenen Form dargestellt. Das gezeigte Möbel ist also zwischen 1879 und 1885 gefertigt worden. Auffällig an der alten Form sind auch die typischen stark nach oben abstehenden Lehnbrettchen, welche dann ab 1886 deutlich flacher konstruiert wurden. Das gezeigte Modell weist an seiner Vorderkante ein vom Werk original eingefügtes Messingrohr auf, welches wohl als Schutz gedient haben konnte (nicht serielle Herstellung). Wer ein solches Möbel schon einmal restauriert hat, findet versteckte Gelenkbolzen innerhalb der Hölzer vor, welche von hochqualitativer Schlosserarbeit zeugen und dadurch eine perfekte Klappmechanik gewährleisten. Ebenfalls typisch für die Thonetsche Qualitätgüte sind die Muttern der Gelenkbolzen an den versteckten Möbel-Innenseiten. Wo die Konkurrenz dort oft grobe 4-Kantmuttern verwendete, sind die Muttern bei Thonet als grosse Rundköpfe mit zwei kleinen gegenüberliegenden Schlitzen konstruiert, für die es heute ein vom Restaurator eigens gefertigtes Spezialwerkzeug benötigt, um diese überhaupt lösen zu können. Erschwerend kommt hinzu, dass die aus den Rundmuttern hervorstehenden Gewinde-Enden noch "gehämmert" wurden, um ein selbständiges Lösen der Muttern beim
47. Sessel der Polnisch-Russischen Firma "Wojciechow" in Warschau.
zur Geschichte der Firma:
Gründung: 1872 in Lublin.
- 1882 -1883 Produktion : 130'000 Stück, beschäftigte Personen: 700.
- Erwähnt wird die Firma in einem Handelsregister (oder Güterverzeichnis) von 1882.
- 1900 Grossbrand zerstört die Fabrik, Brandstiftung wird nicht ausgeschlossen.
- Neuaufbau in Kamieńsk, heute Gomunice, Bezirk Piotrkow.
Damals eigentlich nur eine Bahnstation der neuen Bahnlinie Warschau - Wien.
Man nutzt die nahen Wälder und die Transportmöglichkeiten der nahegelegenen Bahn. Es beginnt der Aufbau einer Arbeitersiedlung, die mit der Zeit den Kern des Dorfes Gomunice bildet.
- 1909 Ausstellung in Glowny
- 1925 ging die Fabrik in Konkurs und wurde von der Bank Gospodarstwa Krajowego übernommen.
- 1927 wurde die Firma an einen neuen privaten Investor weitergereicht, der nach
fünf Jahren in Konkurs ging.
- 1929 wurden die Möbel der Bugholzmöbel-Fabrik "Wojciechow" AG auch auf der berühmten Landesausstellung in Poznan (Posen) präsentiert, die "Errungenschaften des wiedergeborenen polnischen Staates" vorgestellt.
Offiziell wird davon ausgegangen, dass die Fabrik im Jahr 1933 ihren Betrieb schloss.
- Im Dezember 1937 erneuter Verkauf an die Warschauer Wachstuch AG. Ab 1938 werden in der Fabrik Wachstücher produziert.
Das oben gezeigte Möbel ist mit einem Firmen-Papieretikett und einem Prägestempel in kyrillischer Schrift gekennzeichnet. Auf dem Papieretikett sieht man einige Medaillen-Abbildungen von Ausstellungen, wo die Firma und ihre Produkte prämiert wurden. Auffallend an Wojciechow-Stühlen ist der optisch "schwebende" Sitzrahmen, eine umlaufende Zarge mit Holzbrett oder Geflecht, welche keine eingesetzten Vorderbeine besitzt und sozusagen nur mit Schrauben im Gestell hängt. Durch die etwas eigensinnigen grazilen, aber konstruktiv-spannend verlaufenden Bugholzteile ergibt sich eine neuartig anmutende Bugholzform, welche phantasievoll den Rücken formt und durch drei feingliedrige Bugholzteile sozusagen jeweils die Vorderbeine bildet. In einer Gruppe von Bugholzmöbeln ragt dieses Modell zum Beispiel gerade durch seine eigensinnigen Dimensionen weit über die sonst üblichen Lehnenhöhen hinaus.
47a. Die Variante Wojciechow mit Sitzgeflecht.
46. Seltenes Thonetmöbel, der Sessel Nr. 22, eines der begehrtesten Sammelobjekte. Der 22er ist seit mindestens 1873 nachgewiesen. Auffallend ist das floral-geschwungene Rückenteil, welches zweiteilig ein Oval umschlingt und jeweils in einem Hinterbein endet. Das gezeigte Modell wurde etwa um 1885 gefertigt und weist bereits die vom Käufer auf Wunsch dazubestellten Verstärkungsbügel zwischen Sitz und Rückenlehne auf.
45. Schlafsofa Nr. 2 von Thonet, gefertigt ca. 1880. Das Schlafsofa ist ein begehrtes Sammlerobjekt und braucht Platz, um seine Wirkung optimal zur Geltung bringen zu können. Die Rückenlehne ist mittels einem Zackenraster verstellbar. Das Sofa taucht erstmals im Thonet-Katalog von 1879 auf und wurde bis mindestens 1911/15 gefertigt. Für Kenner: Bei den frühen Modellen wurde die vordere Verbindungsstange "zwischen" die Konstruktion geschraubt, etwa ab 1890 wurde die Stange verlängert und "anlehnend" an oder auf die Kostruktion geschraubt. In den einschlägig bekannten Thonetkatalogen ist dieses geänderte Detail allerdings nie bildlich nachgeführt worden, die Stange blieb optisch zwischen der Konstruktion (vrgl. auch Text über Schaukler unter Punkt 41).
44. Thonet Schaukel-Fauteuil Nr. 1.
1860 entwickelte die Firma Thonet in der Koritschaner Fabrik das erste Modell eines Schaukel-Fauteuils aus Bugholz. Bisher waren lediglich Schaukelstühle aus Metall bekannt. Die möglicherweise naheliegende Idee, gebogenene Hölzer auch für schwungvolle und "bewegende" Möbel in Anwendung zu bringen und so diese neuentwickelte Möbelgattung als edles und salonfähiges Stück für die höhergestellten Schichten einzuführen, schien anfänglich gering aber dennoch über die Folgejahre geglückt. Die frühen Modelle Nr. 1 zeichnen sich durch die feinen Schlaufen vorne an den Lehnen aus. Nachweislich wurden diese Schlaufen bei Thonet bis 1876 gebaut, nachher endeten die Armlehnen bündig auf dem Hauptgestell (auf einer Fotografie der Weltausstellung Philadelphia 1876 sind die Schaukelfauteuils Nr. 1 von Thonet und auch die des Konkurrenten Kohn ohne Schlaufen erkennbar).
Neben Thonet wurde der Schaukelfauteuil Nr. 1 also auch von Kohn gebaut. Dies ist aus Werbeinseraten nachgewiesen. Ein Original oder eine Foto eines frühen
Kohn Schaukelfauteuils Nr. 1 (mit Schlaufen) ist uns indessen bis heute nicht bekannt.
Ob weitere frühe Konkurrenten den Schaukelfauteuil Nr. 1 in früher Zeit -also mit Schlaufen- gebaut haben, ist bisher nicht bekannt.
Überhaupt sind nur wenige Exemplare des frühen Schaukelfauteuils Nr. 1 bekannt. So zu sehen in den einschlägigen Fachliteraturen bei Renzi "Sedie a Dondolo Thonet" S. 29 und S. 30, in den Fachbüchern bei Eva Ottilinger und Georges Candilis und das hier gezeigte Modell).
Thonet Frankenberg hat auch eine Replika des Schaukelfauteuils Nr. 1 zum 175-jährigen Firmenjubiläum in 175 Exemplaren gebaut. Interessant ist, dass alle uns alten bekannten und erhaltenen Modelle nicht identisch sind, sondern in Details und Proportionen teilweise deutlich voneinander abweichen. Alle frühen Modelle des Schaukelfauteuils Nr. 1 sind nicht signiert, weder mit Etiketten noch mit Stempeln.
44b. Hier eine aussergewöhnliche Variante des Thonet Schaukelfauteuils Nr. 1.
Dabei wurde der Rückenteil des Thonet Barbierfauteuils eingesetzt.
Das Möbel ist im Originalzustand, wohl war es damals um ca. 1890 eine Kunden-Sonderbestellung, das Möbel ist in dieser Bauart in keinem Katalog zu finden.
43. Thonetsessel Nr.1, alte Form gefertigt in massiv gebogenem Buchenholz, nachgewiesen seit mindestens 1859. Das gezeigte Modell stammt von etwa 1865. Es gilt heute als sicher, dass die Nummer 1 bei Thonet jedoch nicht automatisch die chronologische Nr.1 war. Es wird angenommen, dass der Stuhlentwurf Thonets für die Einrichtung des Gartenpalais des Grafen Schwarzenbergs in Wien (1849) realisiert wurde und später als die Nr.1 ins Programm kam. Der Einser ist einer der gesuchtesten Thonetstühle überhaupt. Sein Innenornament ist oben am Rücken angeschäftet und verleiht dem Möbel durch den Schwung der dünnen Linienführung des Rückenteils seine unverwechselbare Leichtigkeit und Eleganz. Bequem ist er nicht unbedingt, drücken doch die beiden dünnen Innenschwünge exakt auf die Wirbelsäule.
43a. Auf dem Photo der Münchner Gewerbe- und Industrie-Ausstellung von 1854 ist eine mysteriöse Modelltype in Sessel- und Fauteuilform zu erkennen, welche von Thonet die "erste Nr.1" gewesen sein könnte (von uns rot eingekreist). Unten im Bild sind die Modellnummern 2 und 3 zu sehen. Der Fund der erwähnten Möbelgattung würde wohl für Furore sorgen, sie ist bis heute unter den Sammlern nicht aufgetaucht. Vermutlich erlangte dieses Modell (alle Möbel noch in der Schichtverleimung und ohne Fussreif) wegen Instabilität des Rückens nicht die Serienreife und es scheint bei einer Kleinserie geblieben zu sein.
43b. Fauteuil Nr. 1 von Thonet, frühe Form um 1870. Eines der seltensten Möbel von Thonet, nicht sehr bequem im Rücken, aber dafür sehr elegant!
43c.
Hier Nr. 1 der Firma Fischel um 1895. Das Möbel ist selten bis nie anzutreffen. Etwas plumper in seiner Erscheinung als die Thonet-Variante, die Rückenteile sind stärker ausgebildet. Dennoch ein sehr formenschöner Stuhl!
42. Thonet Schlafsofa Nr. 1 um 1905. Die Rückenlehne ist rasterbar, die Beine mittels gedrechseltem dickem Holzgewinde ausschraubbar. Nachgewiesen ist das Modell vor 1879 und verdeutlicht in seinen Drechsel-Arbeiten den auch bei den Bugholzmöbeln nicht aufhaltbaren Einzug des Historismus in die reinen klassischen Bugholzformen. Und exakt ein solches Möbel soll Sigmund Freud für seine Patienten benutzt haben....ob sich Freuds Patienten schon beim Anblick des Möbels traumatisiert fühlten, ist nicht überliefert :-).
2a. Interessantes Detail: die Quer-Verstrebungen unter dem Schlafsofa sind aus Stuhlhinter-beinen gefertigt! Ist das original? Aber natürlich! Denn es gehörte mitunter zur thonetschen Firmenphilosophie sparsam mit Material umzugehen, um so optimierte Wirtschaftlichkeit zu erlangen. Also kam es durchaus vor, dass man zur Verarbeitung auch "misslungene Bugholzteile" wiederverwendete oder -so vermuten die Kenner- sogar ganze Möbelneuheiten damit schuf (wer im Thonetkatalog nachschauen möchte, könnte zum Beispiel im Handtuchgestell Nr.1 die Formen zerschnittener Rückenteile des Stuhls Nr.14 erkennen. "Restverwertung?!" Erwiesen ist diese Theorie jedoch nicht). die sogenannten "Waden", die als Neuheit an den Beinen der Stuhlserie Nr. 56 (ab 1885) ihren
Anfang nahmen, sind hier –zugeschnitten und als Strebe unter dem Schlafsofa montiert- deutlich zu erkennen. Und wiederum für den Kenner heisst dies: dieses Schlafsofa kann nicht vor 1885 hergestellt worden sein! Wer mehr über das Thema "Restverwertung" von Bugholz erfahren will, fragt am besten Ulrich Fries aus Berlin. Seine Anschrift ist auf unserer Seite "Freunde" zu finden.
41. Thonet Schaukel-Fauteuil Nr. 6 um 1880 (bereits 1873 nachgewiesen). Nur das Modell Nr.1 und Nr.6 hatte bei Thonet die Doppel-Schlaufe als Abschluss der Rückenlehne. Bei den frühen Modellen sind die Verbindungs-Stäbe bündig und ZWISCHEN die Kufen montiert worden, was gerade an dieser nun statisch heikel gewordenen Stelle häufig zu Brüchen führte. Erkannt und verbessert wurde dies bei Thonet etwa ab 1890, die Stäbe wurden jetzt verlängert und oben auf die Kufen gesetzt. Auch konstruktiv gab dies gleichzeitig besseren Halt. Für die Seitenteile der Schaukelstühle wurde ein und dieselbe Biegeform verwendet, auch wenn sich die Kringel modellbedingt -wie beim gezeigten Modell- "überkreuzen". So weisen alle diese Schaukelstühle quasi zwei Linksteile auf. Mit ein Grund für die bei allen Schauklern montierten "Linksteilen" könnte der häufig feststellbare "Verzug" der Möbel sein. Schaukelstühle stehen oft schon originalgefertigt "schräg" auf ihren Kufen.
40. Thonet Canapée Nr.4 um 1862. Frühe Form mit feinen massiv-gebogenen Holzquer-schnitten. Mit den Stühlen der selben Modellreihe richtete Thonet das berühmte Café Daum in Wien ein. Ob damals auch Canapées bestellt wurden, ist nicht bekannt. Höchste Sammelrarität. Versuchen Sie bitte einmal, die Rückenform im Kopf zu behalten und zeichnen Sie sie nachher aus dem Gedächtnis auf Papier. Wenn Sie das schaffen, sind Sie schon total Thonetverrückt und nicht mehr zu retten :-) Viel Spass...
39. Sessel Nr.4 der Firma Gebrüder Thonet Wien, massivgebogen, um 1862. Auch "Café Daum Stuhl" genannt. Mit diesem Stuhl gelingt Thonet 1850 der Durchbruch in Wien. Er erhält den Auftrag, das Caféhaus Daum mit dem 4er einzurichten. Die damaligen Stühle waren noch in der Schicht-Verleimung und hatten keinen Fussreif zur zusätzlichen Bein-Stabilisierung. Der Sessel Nr.4 ist einer der begehrtesten Sammelobjekte überhaupt.
Erste Papieretikette (im Bild Etikett 1a) von Thonet. Schutzmarke ab ca.1862 bis 1882, wie sie an den frühen noch "steifen", aber bereits massivgebogenen Thonetstühlen in den Sitzrahmen geklebt wurde. Sie ist in mindestens 3 verschiedenen Ausführungen bekannt (1a, 1b, 1c), auch in stark blauem oder grünlichem Papier. Die früheste der 3 Marken, (Marke 1a) zeichnet sich durch die sehr fein gehaltenen Linienführungen der äusseren Kringel ab (Bild).
Die Marken wurden mittels Steindruck auf Papierbögen geprägt und danach ausgeschnitten. "GT" bedeutet "Gebrüder Thonet". Der Verweis auf "massiv gebogene Holz-Arbeiten" ist im Etikett lesbar. Möbel mit dem frühen Etikett 1a sind sehr selten. Produktionszeit 1a: ca. 1862-1870, 1b: 1870-1875, 1c: 1875-1882.
Die frühen Thonetmöbel mit noch "steifer Rückenform" besitzen meist nebst der ersten Papieretikette auch geheimnisvolle Kennzeichen, eingeschlagen unten im Sitzrahmen. Welche Bedeutung sie haben könnten ist bis heute nicht eindeutig geklärt und es wird viel darüber spekuliert. In Kombination zur ersten Etikette kann eine 8-strahlige Sonne, Ein F-ähnliches Zeichen, ein K, B, G oder ein S eingedrückt sein. Es können auch Kombinationen der Zeichen vorhanden sein. Auch der 13-strahlige Stern (nicht im Bild, 13-18mm Durchmesser) ist als eindeutiges "Thonetzeichen" bekannt. Ist das Etikett nicht mehr vorhanden, kann durch diese Zeichen und anderen Indikatoren dennoch ein originales Thonetmöbel nachgewiesen werden. Thonetmöbel mit der Etikette 1a haben in aller Regel KEINEN zusätzlichen Stempel "THONET" in den Sitzrahmen eingepresst (Vergl. auch Punkt 37).
Ein äusserst zuverlässiges Detail lässt die ganz frühen Thonetstühle -gefertigt um 1860- auch ohne Kennungen und Etiketten beinahe zweifelsfrei identifizieren. Thonet fräste die Bohrungen für die Vorderbeine ganz durch den Sitzrahmen durch, sodass die Beinzapfen auf der Rahmen-Oberfläche sichtbar waren. Einige dieser Modelle hatten zusätzlich im Inneren des Sitzrahmens "Backenverstärkungen" montiert, um die Instabilität der Bohrung aufzufangen (Bild mit Backenverstärkung). Etwa ab 1865 verschwand dieses Detail gänzlich, die Bohrungen für die Beinzapfen blieben knapp unter der Rahmen-Oberfläche und die Montage von Vorderbeinbacken gehörten zur seriellen Ausführung.
38. Sessel Nr.4 von Thonet um 1885 in der ergonomischen Ausführung der Rückenlehne. Das gezeigte Modell hat die "Cherry-Lackierung", die nur für den amerikanischen Markt verwendet wurde. Typisch für den 4er ist die genannte Schnürung oder Rille des Sitzrahmens. Ebenfalls ausschliesslich für den amerikanischen Markt gab es das Modell auch mit kreisrundem Sitzring, statt des trapezförmigen Rahmens. Die Möbel für den Export wurden in Einzelteilen und in Kisten den jeweiligen Thonetfilialen zugesandt und dort zusamengesetzt. Etliche Schlagzahlen und Kleinkleber mit Ziffern, wie etwa 42, 36, 72 etc. sind an exponierten Stellen bei genauer Betrachtung gut erkennbar.
37. Sessel Nr.8 der Firma Gebrüder Thonet Wien, um 1865. Die Form des 8ers ist seit mindestens 1855 nachgewiesen. Im Unterschied zum Thonet-Sessel Nr.14 weist der 8er einen trapezförmigen Sitzrahmen auf und trägt Kapitelle an den Vorderbeinen. Der elegante 8er ist als Vorreiter des späteren Verkaufs-Schlagers Nr.14 zu betrachten. Der 8er ist in der frühen Form weitaus seltener und deshalb ein begehrtes Sammelstück.
Etwa zwischen 1868 und 1881 presste Thonet zusätzlich zur ersten Schutzmarke den Namen THONET in die Sitzrahmen. Es handelt sich dabei NICHT um ein Brand-Zeichen! Der "Natur-Stempel" (Bild links oben) wird als der früheste der drei Varianten erachtet. Später wurden die Stempel zur besseren Kennung mit schwarzer resp. weisser Farbe hinterlegt. Sowohl die frühen "steifen" Thonetformen (um 1865), als auch bereits die späteren ergonomischeren Thonetsessel (ab 1870) können diese Stempelungen besitzen. Zusätzlich kann das frühe Etikett in der Variante 1b oder 1c geklebt sein. Die Etiketten 1b und 1c unterscheiden sich von Etikett 1a in der gröberen, dickeren Linienführung der Kringel und Schnörkel, sowie an der spiegelbildlichen Darstellung der beiden zur Mitte zeigenden Ornamente. (Im Bild Etikett 1b, vergl. auch Punkt 39, Etikett 1a).
36. Thonet Sessel Nr.14 um 1875. Grossserien-Version. Im Bild eine eher seltene Version mit edler Palisander-Immitation in der Lackierung. Über den 14er wurden dutzende von einschlägigen Fachbüchern geschrieben und kaum ein Architekt, Ingenieur, Designer oder Möbel-Industrieller kommt an der wohl berühmtesten Entwicklung dieses im Industriezeit-alter des 19ten Jahrhunderts gefertigten Möbelstücks vorbei: Ästhetik, Schlichtheit, Eleganz, Stabilität, Form, Statik, Elastizität, Preis, Haltsamkeit, Rationalität etc. Geschweige die Technik des Holzbiegens oder den massenhaften Versand des Produkts in Einzelteilen.... Wo interessantes, wichtiges, gemütliches, kurioses, spannendes oder ganz einfach schönes Leben stattfindet, steht meist ganz still auch ein Thonetstuhl!
35. Thonet Sessel Nr.14, frühe Ausführung um 1860. Der "Drei-Guldenstuhl" gilt als meist-verkaufter Stuhl aller Zeiten. Ob Caféhäuser, Hotels, Theater-bühne oder im privaten Bereich, der Stuhl findet durch seine Schlichtheit und Eleganz überall grosse Beliebtheit. 1859 entwickelt, wurde er von Thonet über den Zeitraum von über 50 Jahren zum gleichen Preis in alle Herrenländer verkauft und bis 1930 über 50 Millionen mal gefertigt. Wohl änderte sich die Form über die Jahre geringfügig, nie aber verlor das Möbel den eindeutigen Charakter des Thonetklassikers Nr.14. Kaum ein anderes Möbel wurde von Konkurrenten so oft kopiert, wie der 14er von Thonet. Selbst heute findet man die Form nebst Holz auch in Metall- oder (schlimmer noch) Kunststoffverarbeitung. Das Original, der Stuhl Nr.14 wird von Thonet heute noch produziert.
Der 14er von Thonet in seiner Formwandlung. Links: Frühe Form ab 1859. Mitte: Frühe Form, jedoch mit den ab ca. 1875 entwickelten Verstärkungs-Bügeln. Rechts: Ergonomische Grossserienform ab 1875 bis ca. 1930. Die Verstärkungsbügel gehörten nicht seriell zu den Stuhlmodellen, sie konnten bei Thonet gegen einen geringen Aufpreis bestellt werden.
Einige Varianten des Stuhls Nr.14: oben links; Thonetklassiker Nr.14, Gross-Serienmodell um 1890. Mitte; Inserat aus einer Schweizer Zeitung von 1874 mit sehr authentischer Darstellung des Typs Nr.14. Rechts; Thonet-Stuhl Nr.14 mit aussergewöhn-lichen Beinver-Verstärkungen (Vouten) um 1890. Unten links; Stuhl der Firma Josef Hoffmann um 1895. Mitte; Stuhl der Firma Stoll&Klock um 1875. Rechts; Modell Nr.14 der Firma Kohn um 1905.
34a. Fauteuil Nr.12 der Firma Gebrüder Thonet Wien, in der ergonomischen späteren Form gefertigt ca. 1890. Gegenüber den anderen Fauteuils von Thonet besticht der 12er durch sein deutlich grösseres Gesamtvolumen. Der Sitzrahmen ist grösser und die Rückenlehne erreicht die Höhe von über 100cm. Die gezeigte Fauteuilvariante ist kaum zu finden.
34. Sessel Nr.12 der Firma Gebrüder Thonet Wien, um 1862. Die Modellform ist seit mindestens 1859 nachgewiesen. Grossgebautes Modell mit hoher Lehne und flächigem Rückenteil. Der 12er wurde üblicherweise mit Feingeflechten und geschnürtem Sitzrahmen (Rille) gefertigt. Ausnahmen bestätigen die Regel. Sehr elegantes bequemes Möbel, seltenes Sammelobjekt.
33a. Der Klassiker. Thonet Sessel Nr. 18 mit offen-geschraubten Seitenbügeln zur Verstärkung. Das gezeigte sehr robuste Gross-Serienmodell ist in Palisander-Immitation gefertigt und wurde etwa 1878 hergestellt. Die Produktion des 18ers begann 1876.
33. Sessel Nr.18 von Thonet. Das Modell gleicht dem Thonetklassiker Nr.14, einziger Unterschied: die Form des Innenlehn-Bogens wurde von der Hauptlehne zum Sitzrahmen hin montiert. Das Modell ist häufig zu finden, nicht unbedingt aber das echte Original von Thonet. Der 18er ging ab 1876 in Produktion. Mit der Entwicklung der beiden Lehn-Aussteifungen um etwa dieselbe Zeit gehören sie fast zum Erscheinungsbild des typischen 18ers, obwohl diese Verstärkungen optional bestellt werden konnten. Nebst dem 14er und dem 56er von Thonet wurde der 18er ein weiterer Verkaufsschlager (auch Export) im Hause Thonet. Links ein früher 18er mit Etikett 1b, gefertigt um 1878, Cherry-Lackierung (für den amerikanischen Markt), rechts der typische 18er mit 2tem Etikett um 1900, nussbaumbraun, wie man ihn kennt, mit Aussteifungsbügeln von der Lehne zum Sitz.
Reihe oben: Thonet Nr.18 mit Sperrholzsitz um 1905, Nr.18 als Variante mit Rückengeflecht um 1895, Modell im Motiv Nr.18 der dresdner Firma Türpe um 1905, Halbfauteuil Nr.18 1/2 von Thonet um 1890. Reihe unten: Thonet Nr.18 1/2 mit Sitzdurchmesser 38cm und schlankem Rücken um 1895, Thonet Nr.18 mit perforiertem Sperrholz im Rückenteil (Abb. aus dem Katalog von 1904) und rechts eine interessante Modellvariante in der 18er-Form (leider ohne Kennzeichen) mit ganz schmaler Rückenform und geschwungener Fussverstärkung. Wer könnte einen solchen Stuhl gebaut haben?
Die meisten heute findbaren Thonetstühle stammen aus Thonets intensivster Produktionszeit zwischen 1885 und 1915. In dieser Zeitspanne produzierte Thonet überwiegend Stuhlmodelle mit symmetrisch zusammen-gefügtem Sitzrahmen, dem sogenannten "Backenschluss". Dieses Detail verrät jedes Original von Thonet auf den ersten Blick. Aber Achtung: nicht alle Rahmen wurden von Thonet auf diese Weise zusammengefügt! Ein weiteres Augenmerkmal gilt den nun häufig montierten Verstärkungsbügel. Kein Grund deshalb das Original deuten zu wollen, aber Thonet montierte die Bügel meistens ganz zum oberen Rand des Sitzrahmens. Die Schrauben der Bügel sind nicht mehr wie an frühen Modellen offen verschraubt, sondern nun mit Holzzapfen verdeckt. Ebenfalls Mit der Einführung der ab ca. 1882 neugestalteten Schutzmarke "THONET" und den damit verbundenen neuen THONET-Prägungen wird es für den Thonet-Liebhaber ein Leichtes, ein Thonetmöbel als "Original" zu erkennen. Die nun deutliche Schrift THONET ist links und rechts mit "GT" (Gebrüder Thonet) geziert, mittig darunter steht "Wien". Die Marke wurde etwa im Zeitraum von 1882-1919 für alle Thonet-Erzeugnisse verwendet. Sie ist in variantenreicher Ähnlichkeit zu finden, so zum Beispiel an
Möbeln für den russischen oder ungarischen Markt, aber auch für die nordamerikanischen Länder. Der nun neue Prägestempel "THONET" wurde ab ca. 1881 mittels einer speziell dafür entwickelten "Stempel-Prägemaschine" in eine mittels Fräswerkzeug erstellte Fläche von 42mm Durchmesser eingepresst. Später, etwa ab 1890 erweiterte Thonet die Kennung auf "THONET AUSTRIA". Der Frästeller beträgt jetzt 62mm. Nach dem ersten Weltkrieg änderte Thonet die Schutzmarke erneut, Österreich hatte den Krieg verloren, "Wien" wurde alsdann weggelassen und die beiden Initialen "GT" durch ein einfaches "T" ersetzt.
32a. Hier die Fauteuil-Variante Nr. 7 zum unten gezeigten Stuhl Nr.7. Dieses hier gezeigte Möbel wurde etwa 1862-65 gefertigt, das zeigen die noch feinen Holzquerschnitte und die gesamthaft filigrane Wirkung des Möbels.
Interessanter- weise wird der 7ner Fauteuil schnell verwechselt mit dem 11er oder 12er Fauteuil, da diese Modelle ebenfalls Rückengeflechte haben, allerdings leicht andere Formen. Der echte 7ner ist aber kaum zu finden, kaum ein Sammler besitzt einen originalen Thonet Fauteuil Nr. 7 mit dem typischen tropfenförmigen Rückenornament.
32. Sessel Nr.7 der Firma Gebrüder Thonet Wien, um 1870. Die Modellform ist seit mindestens 1859 nachgewiesen. Der Sitzrahmen ist beim 7er in aller Regel geschnürt (Rille).
31a. Sessel Nr.10 von Thonet, um 1885, hier in der stabileren Gross-Serienform mit deutlich dickeren Holz-Querschnitten.
31. Sessel Nr. 10 der Firma Gebrüder Thonet, Wien. Nachweisbar seit mindestens 1859. Das gezeigte Modell stammt von etwa 1865 in der noch steifen, grazilen Form (Etikett 1a Dickstrich). Etwa gleichzeitig entwickelte Thonet das Modell Nr. 11 (nachgewiesen seit 1857), mit geflochtenem Rückenoval als einzigen Unterschied zum Modell Nr. 10 (Vergleiche auch Punkt 24).
Aus dem Basler Buch "Vogel Gryff" Ölgemälde von Johann Rudolf Weiss, "Tanz im Cafe Spitz" um 1885. Feingegliederte elegant-geschwungene Cafehausstühle. Mit etwas Fantasie könnte man sie dem Thonet Sessel Nr.10 zuordnen.
30. Thonet Sessel Nr.15, frühe "steife" Rückenform mit kreisrundem Rücken-Ornament, um 1876. In keinem der bislang bekannten Thonetplakate oder Kataloge taucht der 15er in dieser Form auf. Grund dafür ist, weil bis heute noch keine Kataloge von Thonet zwischen 1873 und 1879 aufgetaucht sind. Und genau in diesem Zeitraum muss der 15er in dieser Form auf den Markt gekommen sein. Die Verstärkungsbügel von Rückenlehne zu Sitz waren etwa ab 1876 eine Neuheit und optional als zusätzliche Aussteifung erhältlich. Sehr selten sind Möbel mit "steifer Rückenform" UND Verstärkungsbügeln zu finden. In der ersten Zeit wurden die Verstärkungen noch mit sichbaren "offenen" Schrauben montiert. Später wurden die Schrauben mit Holzzapfen verdeckt.
Thonet Sessel Nr.15 in der gewohnten ergonomischen Rückenform. Bild links: Der 15er im Thonetkatalog von 1904. Er kann als eine Vereinfachung des Modells Nr.11 angesehen werden, weist er doch nur einen kreisrundem Sitzring auf und hat keine Kapitelle an den Vorderbeinen (Vergl. auch Punkt 24).
29a. Fauteuil Nr. 2 von Thonet, selten zu finden, das gezeigte Modell ist um 1895 gefertigt.
Das Modell ist derart anmutig, dass man sich ständig darin verweilen möchte.
29. Sessel Nr.2 der Firma Gebrüder Thonet Wien, um 1862. Die Modellform ist seit mindestens 1854 nachgewiesen. Es ist sogar ein schichtver-leimtes Modell bekannt, welches die Kennung "Thonet Wien Gump 396" unter dem Sitzrahmen aufweist. Thonet hatte damals seine Werkstatt in Wien an der Gumpendorfer-strasse 396 zwischen 1849 und 1853. Die frühen Thonetsessel zeichnen sich vor allem durch die flachen und hohen Rückenlehnen aus (Sammler sprechen von der "steifen Rückenform)". Etwa 1875 (also 20 jahre später) wurden sie von den bequemeren ergonomischeren Rückenformen abgelöst. Fussringe montierte Thonet ab 1860 seriell als zusätzliche Verstärkung anfänglich nur knapp unter den Sitzrahmen. Bei den späteren ergonomischen Modellen wurde er besseren Stabilitäts-Gründen wegen immer tiefer, also Bein-abwärts nach unten befestigt. Wer einen 2er besitzt, dem gehts vermutlich ähnlich wie mir: Das Möbel scheint ewig zu lächeln, eines der schönsten Thonetmodelle!
Die Schraube kann den Thonetstuhl verraten! Typische Eisenschraube, wie sie Thonet schon an den ganz frühen Stühlen verwendet hat. Wulstig, parallel-laufend und stumpf endend. So konnte die Schraube (gegenüber herkömmlichen spitzverlaufenden Schrauben) enormen Zugkräften standhalten, da sie im vorgebohrten Holz auf ganze Länge fest verankert sass. Das Gewinde wurde entweder von einem zylindrischen Schaft eingepresst oder aber an einem Drehautomaten abgedreht. Ein Arbeiter konnte dadurch mindestens 1000 Schrauben pro Tag produzieren. Überliefert ist jedoch für unsere Möbel keine der beiden Methoden. Sicher ist, dass die Schraube von einem langen "Eisendraht" abgestochen, und die Kopfform durch Gegendruck aufgeschlagen wurde. Die Einkerbung für den Schraubendreher wurde eindeutig eingesägt. Dies alles musste in sehr kurzer Zeit und für dicke, aber auch ganz winzig-kleine Schrauben vonstatten gegangen sein, denn alleine Thonet hatte natürlich einige Millionen Stückzahlen von Schrauben für den Zusammenbau seiner Möbelerzeugnisse verbraucht. Es wird vermutet, dass Thonet in der Frühzeit der schichtverleimten
Möbel solche Schrauben von spezialisierten Schraubenfirmen zugekauft hat und erst später solche Schrauben im gleichen Verfahren selbst zu produzieren begann. Aber nicht nur die Firma Gebrüder Thonet hat vermutlich ihre Schrauben (in der Bistritzer Fabrik) selbst hergestellt, auch andere Firmen mussten mit der gleichen, uns heute unbekannt gewordenen Technik solche obskuren Schrauben gefertigt oder zugekauft haben. Zu finden sind sie oftmals an den frühen Stuhlmodellen von Kohn, Fischel, Rudolf Weill, an den Rabenauer Stühlen oder auch Fabrikate von J. Sommer Weisskirchen oder Kadeder, München. Die Erzeugnisse der Bugholzfirma Josef Hofmann oder gar diejenigen des Tischlers Josef Neyger in Wien wurden immer mit den wulstigen Schrauben zusammenmontiert. Links: typische fette Schraube mit 30 Grad-Kopf, beispielsweise für die Fussreifen. Mitte: kleine Schraubentypen für Rückenornamente oder kleinere Befestigungen. Rechts: Schraube mit 45 Grad-Kopf, zB. für die Befestigung der Vorderbeinbacken im Sitzrahmen. Natürlich gab es eine Vielzahl an anderen Kopf-Formen, also auch Linsenköpfe für sichtbare Verschraubengen etc.
28. Sessel Nr.25 der Firma Gebrüder Thonet Wien, um 1885, hier in originaler schwarzer Kohlenfarbe. Elegantes Möbel mit drei ineinander verflochtenen Rückenteilen. Gesuchtes Sammelobjekt.
28a
Hier das Modell Nr. 25 in brauner Fassung, mit leichten Palisanderstreifen.
27a.
resuarierter Thonetsessel Nr. 91 um 1885/90.
27. Sessel Nr.91 der Firma Gebrüder Thonet Wien, um 1890. Auch "Lattenstuhl" genannt. Der Entwurf solcher technischen und optischen Neuheiten ist dem Sohn August Thonet zugeschrieben. Aus einer Firmenchronik geht hervor, dass die Thonets immer wieder neuentwickelte Modelle vom Fabrikdach in den Hof warfen, um deren Haltbarkeit zu testen. Der Lattenstuhl ging zwar in Serie, konnte sich aber nicht durchsetzen. Seine offenverschraubte Konstruktionsweise wurde weiters an keinem anderen Modell angewandt. der Stuhl ist kaum zu finden, höchstens vielleicht in Spanien oder Bolivien könnte ein Original noch auftauchen -dort schien er beliebt zu sein. Aber Achtung, es gibt ihn zuhauf als plumpe neuzeitliche Nachahmung.
26. Grosser Drehfauteuil Nr.1 der Firma Gebrüder Thonet Wien, um 1870. An Eleganz und Komfort kaum zu überbieten.
25. Witzige Variante eines Stuhls der Firma Fischel um ca. 1905 mit zusätzlicher Bügelverstärkung. Wohl sehr effektiv punkto Stabilität, fraglich jedoch die Ästhetik. Links oben das gleiche Stuhlmodell von Fischel um 1870 in "steifer" Rückenform wie die alten Thonet-Modelle Nr.14 von 1865. Ob Thonet seine alten Formen bei der Umstellung auf die ergonomischen Modelle verkauft hat? (vgl. Nr.35)
24. Beispiele der Sesseltypen Nr.11 und Nr.2, beide sind Thonet- Fabrikate, beide gefertigt um 1865. Trotz ihrer aus gleichen Teilen bestehenden Fertigung sind die Möbel ausser ihrer regulären Sitzhöhe völlig anders proportioniert. Gründe dafür könnten verschieden-artige Gussformen gewesen sein, die einerseits in der ersten Thonetfabrik in Koritschan (1857), oder in der zweiten Fabrik in Bistritz (1862) eingesetzt worden sind. Es könnte gut sein, dass Lieferungen in hoher Stück-zahl für Hotels oder Restaurants mit eben diesen verschiedenen Formengattungen aus beiden Fabriken beliefert wurden. Es bleibt fraglich, ob sich die Leute damals überhaupt daran gestört hätten.
24a. Sessel Nr.11 der Firma Gebrüder Thonet, um 1859-60 (frühester Modellnachweis 1857). Alle Teile aus massiv-gebogenem Holz, jedoch noch ohne Montage eines Fussreifs. Bei den frühen Modellen sind Kennzeichen unten am Sitz-rahmen eingeschlagen und nicht wie bei den späteren Grossserien-modellen üblich, innen im Sitz-rahmen. Das gezeigte Modell trägt die Kennung "GB THONET WIEN". Ein Papier-Klebeetikett war zu der Zeit noch nicht bekannt. Die erste registrierte "Schutzmarke" wurde zusätzlich ab 1862 in die Thonet-Sitzrahmen geklebt.
Thonetmöbel mit solchen eingepressten Stempeln wie etwa "Thonet", "Wien" oder "GB Thonet" sind sehr frühe seltene Ausführungen. Es könnte sich sogar noch um schichtverleimte Möbel handeln, gefertigt vor 1860. Abbildung rechts gehört zu oben gezeigtem Modell Nr.11.
23.Sessel Nr.221 der Firma Gebrüder Thonet Wien, um 1905. Die Bugholzfirmen haben ihre Modelle stets auch dem jeweiligen Zeitgeschmack angepasst. Um das Jahr 1900 kündigte sich eine ornamental verspielte Stilform an, die als "Jugendstil" bekannt geworden ist. Auch die Firma Gebr. Thonet reagierte unmittelbar auf die aufkeimende Stilform und entwickelte ein passendes Stuhlmodell, welches als Modell Nr. 221 u.a. im Verkaufskatalog von 1901 und in den nachfolgenden Katalogen nachweisbar ist.
Modell 221 ist aber keine grundlegende Neuheit. Auf der Basis diverser herkömmlicher Modelle wurde lediglich das Rückenornament verändert. Eine sogenannte Palmette aus Sperrholz wurde zwischen die Rückenlehnstäbe eingebaut. Nebst dem Stuhlmodell 221 entwickelte Thonet gleichzeitig ein dazu passendes Möbelsortiment bestehend aus Fauteuil, Canapé, eine kleine Variante des Stuhls und zwei Schaukelfauteuils.
Nebst den schlichten Standardtypen 221 wurde das Modell auch wahlweise mit durchbrochenem Fächersitz, einer schlichten symmetrischen Gravur oder einer ornamentalen asymmetrischen floralen Gravur, die in besonderem Masse den Jugendstil repräsentiert, hergestellt.
Zeitgleich mit Modell Nr. 221 entwickelte Thonet weitere ähnliche Modelle, welche sich teils nur in substanzieller Form des eingefügten Fächerelements unterschieden.
Weitere Modellergänzungen 221 wurden als Kindergarnituren, Theaterfauteuils, Tische, Schreibtischfauteuils und vielem mehr produziert.
Seit 1902 ist das Palmettenmodell auch bei der Fa. J & J Kohn nachgewiesen. Dort
wird es in den Verkaufskatalogen als Modell Nr. 196 angeboten. Der unmittelbare Vergleich der Palmetten zeigt geringfügige Unterschiede in der Formgebung der Palmette.
Die Firma Fischel verwendete das gleiche Motiv wieder in anderer Form.
Links die Modellvariante, wie sie von Kohn ins Programm aufgenommen wurde, rechts die Modelltype der Firma Fischel.
22. Thonet Sessel Nr.19, auch "Engelstuhl" genannt.
(Gezeigtes Modell Nr.19 /I. Das "I" steht für die trapezförmige Rahmenform).
Obwohl der Sessel Nr.19 ganz ins typische Bild der schwungvollen Thonetformen passt, unterscheidet er sich in seiner Konstruktion von den Typen 1 bis 18 ganz erheblich.
Erstmalig laufen bei einem Stuhl die Hinterbeine -zur Bildung der Innenlehne- zusammen.
Dies eröffnete nicht nur Ideen für neue Formensprachen sondern brachte vor allem Materialersparnis und bessere Restholzverwertung in die Bugholzmöbelindustrie.
Ob die Entwicklung des 19ers Thonet zugeschrieben werden kann, ist nicht erwiesen.
Verschiedene Interpretationen des "Engelstuhls":
Links: Thonet Nr.19, Mitte: Kohn Nr.36, Rechts: Fischel Nr.19.
21. Thonet Sessel Nr.56 um 1885. Mit der zunehmenden Produktion der klassischen Thonetformen wurden auch grosse Mengen erstklassikes astfreies Buchenholz für die Rückenlehnen verwendet. Erstmals konnte durch die Trennung der Rückenlehne in einzelne Lehnstäbe Material gespart, respektive Restholz verwendet werden. Dieses effiziente Ergebnis ohne wirkliche Einbusse auf die Ästhetik liess neue Möglichkeiten im Variantenreichtum der Stühle eröffnen. Nebst den Modellen Nr.14 und 18 wurde der 56er erneut zu einem Verkaufsschlager im Hause Thonet.
Reihe oben: Thonet Modelle Nr.56a Perforiert, Nr.56b Relief, Nr.59 mit Rückengeflecht und Thonet Modell Nr.62. Reihe unten: Modell im Motiv Nr.56 der dresdner Firma Türpe, gleiches Modell Türpe mit spez. Fussverbindung, Modell der belgischen Firma Cambier Frères, welche das Patent resp. die Rechte auf die spez. Fussverbindung besass.
20. Sessel Nr.16 der Firma Gebrüder Thonet Wien, um 1865. Das Modell ging ca. 1862 als ersten "Hochlehner" in Serie. Die Rückenform und auch die ab 1866 produzierte vereinfachte Form der Sesseltype Nr.17 könnte Thonet der Glasfassade des 1851 im Londoner Hyde-Park erstellten "Kristall-palastes" abgeschaut haben. Dort stellte Thonet nämlich eine stattliche Kollektion seiner ersten Möbeltypen (noch aus Schichtholz) vor, wo er auch gleich mit der höchsten Auszeichnung seines Fachs prämiert wurde. 1862 stellte Thonet erneut in London aus und zeigte in seinem Möbelprogramm erstmals die Sesseltype Nr.16. Allerdings fand die Ausstellung 1862 nicht mehr in Paxtons Kristallpalast statt. Dieser wurde zwischenzeitlich nach Sydenham verlegt.
Sessel Nr.17, inseriert in einer Schweizer Zeitung von 1874.
Werbe-Illustration der Weltausstellung in London in Paxtons Kristallpalast von 1851. In den Hochfenstern sind die Thonetformen zu erkennen.
19. Fauteuil Nr. 17 von Thonet, gefertigt um 1895, produziert seit 1866.
18. Neigefauteuil der Firma Jacob & Josef Kohn Wien, um 1905. Um die Gemütlichkeit und den Komfort dieses kurios-anmutenden Fauteuils besser aufzuzeigen, illustrierten die Firmen ihre Kataloge oft mit bildlichen Darstellungen. Das Möbel ist seitlich auf zwei Dornen gehalten und mittels Sprungfedern bequem zum wippen. (Während der Restaurierung des Möbels kam mir plötzlich der Name eines genialen Erfinders und Ingenieurs in den Sinn. Und so erhielt der Fauteuil den Übernamen "Daniel Düsentrieb")
17. Sessel-Kombination aus Nr.5 und Nr.6 der Firma Jacob & Josef Kohn Wien, um 1885. Die Vorderbeine bilden einen Teil des Sitzrahmens, was eine völlig neue Konstruktion aufzeigen liess. Doch die Grundidee stammt von Thonet. Im Unterschied zum Modell von Thonet setzte Kohn zum Beispiel schöne Motive wie "Herz-Formen" bei den Vorderbeinen ein. Der Fussreif wurde bei Thonet wie Kohn zusätzlich ab etwa 1870 montiert, da die Konstruktion dann doch zu schwach war. Thonet baute das Modell als Nummer 6 mit "Fischauge" oder als Nummer 5, die herkömmliche Version mit Kapitellen bei den Vorderbeinen. Der Ursprung dieser Stuhlformen steht klar bei Thonet und geht bis ins Jahr 1851 zurück. Damals wurde für die erste Weltausstellung in London 1851 sogar ein ganzes Ensemble (noch in Schichtholzverleimung) hergerichtet, das mit Messingstreifen-Einlagen die Kurven und Formen dieser neuartigen Möbelgattung noch extra-elegant betonen sollte. Diese Thonet-Möbel dienten nur zur Repräsentation und waren nicht käuflich. Modell Nr.5 und 6 wie auch Modell Nr.9 bot Thonet seriell auf seinem Verkaufsplakat von 1859 an.
Links: zerlegtes Kohn-Modell, aus sehr vielen Teilen bestehend. Mitte: Thonetsessel Nr.5. Rechts: Thonetsessel Nr.9.
Das oben beschriebene Kohn-Modell vor der Erneuerung der Feingeflechte.
16a. Sessel Nr. 3, sehr frühe Form um 1860, noch ohne Fussreif, jedoch schon vollumfänglich massivgebogen.
Einer der schönsten Stühle, den es je gegeben hat.
16. Sessel Nr.3 der Firma Gebrüder Thonet Wien, ergonomische Form, um 1880. Die Modellform ist seit mindestens 1854 nachgewiesen. Typisch für den 3er ist der "gekerbte" Sitzrahmen (Rille), welcher nur an wenigen Thonet-Seriennummern eingesetzt wurde.
15a. Sessel Nr.20 von Thonet um 1878, erstmals in ergonomischer Sitzrücken-Form und mit Palisander-Streifen-Lackierung.
15. Sessel Nr.20 der Firma Thonet Wien, um 1872. Das Modell ging 1870-71 in Produktion. Auch die frühen 20er sind in steifer und nicht gerade bequem anmutender Rückenform gefertigt. Aber genau diese Stuhlformen zeugen von erster Produktion und sind begehrte Sammelobjekte. Etwa um 1875 fand bei allen Stuhlmodellen von Thonet nach und nach die Umstellung auf ergonomische Rückenformen statt (Bild 15a).
Links oben: Thonetsessel Nr.20 um 1875, ergonomische Form. Mitte oben: Thonetsessel Nr.20 um 1895, ergonomische Form und mit Aussteifungs-bügeln (optional). Rechts oben: Thonetsessel Nr.20 um 1875, für Kenner zum verzweifeln; halb-ergonomische Rückenform, der Sitz ist nicht rund sondern hat die alte Trapezform und Beinkapitelle! (Ist in keinem Katalog nachgewiesen). Links unten: Sessel Motiv Nr.20 der Dresdner Firma Türpe um 1905, Mitte unten: Sessel Motiv Nr.20 ohne Kennzeichen um 1905 mit originaler grüner Beize, sehr schön, wohl als Wintergartenmöbel gedacht (grünlich-gebeizte Möbel sind auch von Thonet bekannt). Rechts unten: In einer Schweizer Zeitung von 1878 inseriertes Stuhlmodell Nr.20, wie es -dem damaligen Zeitgeschmack- dem Kunden zur Bestellung feilgehalten wurde.
14. Zusammen-gefasst eine kleine Impression von Kindermöbeln oder Kleinmöbeln aus gebogenem Holz: Oben und von links nach rechts: Thonet Kinderspeise-Sessel Nr.1, Thonet Kindersessel Nr. 1 frühe Form um 1865, Thonet Kindersessel Nr. 1 um 1895, Thonet Hoher Kinderfauteuil Nr. 2. Mitte: Kinderfauteuil der Firma Josef Hofmann, Thonet Kindercanapée Nr.1, Thonet Kinderfauteuil Nr.1. Unten: Thonet Kinderschaukel-Fauteuil Nr.221, Thonet Kinderschaukel-Fauteuil Nr.1, Kleiner Kinderfauteuil von J.&J. Kohn, Thonet Fussschemel Nr.1 und Thonet Kinderschaukelsessel Nr.1.
13. Die sogenannten "Neyger-Möbel" erachte ich als eine äusserst interessante Möbelgattung, weil die Möbel bis anhin hauptsächlich der aus Wien stammenden Tischlerfirma "Josef Neyger" zugeschrieben werden, aber bis dato nicht zweifelsfrei identifizierbar sind. Keines der bis heute von Sammlern gefundenen Sessel, Fauteuils oder Canapées haben Signaturen oder Kennungen, die den Hersteller zweifelsfrei eruieren konnten. Nicht nur Thonet produzierte seine frühen Stühle im Schichtholzverfahren, sondern auch Wiener Tischlermeister wie Josef Neyger, Johann Kukol oder Johann Weiss.
Bis zur Erscheinung Alexander von Vegesacks Buch „DAS THONET BUCH“ (Bangert Verlag 1987) glaubte man, solche Schichtholzmöbel seien wohl Prototypen Thonets aus ganz frühen Experimentierzeiten um 1850. Von Vegesack wiederlegt diese These und zeigt erstmals eine Annonce-Abbildung (aus Wiener Anzeigen von 1861), wo Josef Neyger einige seiner Erzeugnisse bildlich darstellt.
Im Ausstellungs-Katalog "Against the Grain" (Art Institute of Chicago 1993, Zelleke, Ottilinger, Stritzler), ist auf Seite 29 eine Annonce-Abbildung aus "Lehmanns Wiener Adressbuch" von 1875 abgebildet, wo Neyger nicht nur Sitzmöbel zeigt sondern sogar einen eleganten Schaukelstuhl. Laut Annonce wurde Neyger an der Wiener Weltausstellung 1873 für seine Erzeugnisse sogar mit dem Anerkennungs-Diplom ausgezeichnet. In den Inseraten Neygers steht lediglich der Hinweis Auf Möbel aus "gebogenem Holze". Von Schichtholzverfahren wird nichts erwähnt. Weitere historische Dokumente belegen, dass Neyger bereits 1855 in Wien wegen "Gewerbestörung" gegen Thonet vorging, jedoch ohne Erfolg.
Traumhaftes 3-Sitz-Canapée der Firma Josef Neyger, Wien, um 1865. Alle feinen Bögen sind in Schicht-Verleimung gefertigt. Der "Obergurt" des Rückens ist zur Mitte hin unterbrochen, das ganze Rückenteil wirkt wie aus 3 einzelnen zusammen-gefügten Stuhl-Elementen.
Im Buch "Thonet Möbel" der Autoren Bangert/Ellenberg (Heyne Verlag 1993) steht unter dem Kapitel "Konkurrenten":
Neyger Josef, Fabrik von Möbeln aus gebogenem Holze, Wien;
Gründung 1847 als Tischlerwerkstatt. Herstellung einer stattlichen Palette von Möbeln, in dem von Thonet 1852 patentierten Schichtholzverfahren; dies offenbar bereits vor Ablauf des "Privilegs" im Jahre 1866. Damit war Neyger ein ernst zu nehmender Konkurrent von Thonet in der Zeit vor Errichtung der ersten Fabrik in Koritschan. Neygers Witwe führte das Geschäft bis 1878.
Wie bereits oben erwähnt, ist kein bis heute gefundenes Exemplar dieser speziellen Möbelgattung mit einem Hersteller-Kennzeichen versehen, noch existieren Plakate oder gar Kataloge. Alle bisher bekannten oder gefundenen "Neyger-Möbel" bestehen ausschliesslich aus Rotbuchenholz. Die "Neyger-Möbel" sind in den Beinelementen aus massivem Holz hergestellt, das heisst gesägt und rundgeraspelt, verbunden mit schichtverleimten eingeschäfteten Buchenlamellen für die Bildung der Rückenelemente. Der Fussreif besteht gewöhnlich aus 3 Schichten.
Der Fachkundige stellt hier fest, dass gerade der Schwung der Massivholzbeine nicht durch Drechselarbeit, sondern nur durch sägen und raspeln entstehen konnte. Ein "Neyger-Sitzrahmen" bildet sich aus vier gesägten massiven Hauptteilen, die mit weiteren acht Eck-Verbindungsteilen (Über- resp. Unterplattungen) verleimt und beigeschliffen, ein Ganzes bilden. Solche Rahmenkonstruktionen sind von Thonet unbekannt, schon die frühesten Ausführungen Thonets für die Sitzrahmen sind aus schichtverleimtem Holz gefertigt.die Bohrungen für die Flechtung der "Neyger-Sitzrahmen" sind (fast immer) schräg nach innen gefertigt. Dies ganz im Sinne alter Möbeltradition und der Benutzerfreundlichkeit, wie sie auch Thonet bei seinen frühen schichtverleimten Exemplaren pflegte.
Wie konnte sich eine Firma wie Josef Neyger während seiner Geschäftstätigkeit von etwa 30 Jahren mit seinen aufwändig hergestellten Möbeln gegenüber seinem Konkurrenten behaupten? Gerade mit der Umstellung Thonets auf die Produktion industriell hergestellter massivgebogener Erzeugnisse (Fabrik in Koritschan 1856/57) begann das Unternehmen bald hunderte Möbel herzustellen, während die Tischlerei Neyger sich vielleicht gerade mal an einem Stuhl zu schaffen machte? Ganz zu schweigen von der schleichenden wachsenden Zahl anderer künftiger Konkurrenten. (in Neygers Annoncen steht: "Garantie zu den billigsten Preisen"!)
Thesen: Bei genauerer Betrachtung des immergleichen Herstellungs-verfahrens der "Neygerstühle" wird klar, dass dazu kein Dampfofen benötigt wurde. Ein geschickter Tischler- oder Schreiner-meister könnte durch Säge- und Raspelarbeit sowie durch die Verleimung einiger in Wasser vorgeweichter Buchenfurniere -eingelegt in dafür vorgefertigte Holzformen- eine solche Möbelgattung auch heute sicherlich herstellen. Ein massiv-gebogenes Thonetmöbel (Bugholzmöbel) ist jedoch ohne Dampfofen und Eisenformen absolut unmöglich zu fertigen. Wahrscheinlich hatten die früheren Tischlerbetriebe solche "Wienermöbel" der Marktfrage entsprechend wohl hergestellt, dies sollte aber nicht ihr Hauptertrag sein. Alte Möbel? Neue Möbel? Dass die "Neygermöbel" alt sein müssen, beweisen zum Beispiel die Schrauben der kleinen Holzverbindungen. Sie sind genau gleicher Machart wie die "Thonetschrauben", zwar kleiner, aber genau gleich wulsig und stumpf endend. Solche Schrauben verwendete Thonet und die Bugholzfirma "Josef Hofmann" fast ausschliesslich, aber auch Kohn oder Fischel an ihren frühen Modellen. Von welcher Firma diese speziellen Schrauben bezogen wurden, ist unbekannt.
Es gibt aber auch "Neygermöbel", die völlig neuartig punkto Holzschliff oder Abnutzung wirken. So das ockerfarbene Canapée mit originaler Ölfarbe (Bild). Es hat kaum einen Kratzer, wackelt nicht und sein Holz in den Rahmen-Innenseiten ist mackellos und aalglatt. Das Möbel könnte problemlos in die Reihe der ockerfarbenen Küchengarnituren der 30er Jahre passen. Beide Canapées sind in Basel gesichtet worden. "Neygermöbel" wurden hauptsächlich in dunklen fetten Schellackbeizen poliert. Auch originale Beige- oder Ockerfarbtöne sind eindeutig nachgewiesen. Ein Grund dafür sind wohl die häufig starken Gipsretuschen bei den konstruktiven Verbindungen von Schichtholz zu Massivholz. Die konventionelle Konstruktion der einzelnen Schichthölzer sollte wohl nicht sichtbar sein.
Wieviele Möbel konnte Neyger produzieren? Angenommen, die Firma Neyger produzierte pro Tag 20 Stühle, wären das jährlich 6'000 Stühle. Über den Existenzzeitraum der Firma von ca. 30 Jahren wären das immerhin 180'000 Stühle. Trotzdem, solche Stückzahlen gleichen aus heutiger Sicht "der Nadel im Heuhaufen", denn alleine Thonet produzierte in diesem Zeitraum Millionenstückzahlen seiner Bugholzmöbel.
Erstaunlicherweise wurden viele "Neygermöbel" in der Schweiz (etliche in Basel) gefunden. Der Basler Importeur "Berthold Kahn" füllte seine Lagerhallen vor die Jahrhundertwende und bis nach dem ersten Weltkrieg in grossen Mengen mit Bugholzware und zwar von etlichen namhaften österreichischen und ungarischen Fabriken, welche sich in jener Zeit unter dem Dachnamen "Mundus" zusammengeschlossen hatten. Auch von der belgischen Fabrik "Cambier" in Ath und zu kleinen Teilen von der schweizer Fabrik "Emil Baumann" (später Horgen Glarus) bezog Kahn Wienerstühle. In den vorhandenen Dokumenten taucht leider keine Firma auf, die Vermutungen auf Schichtholzstühle wachlassen werden könnte.
Josef Neyger Wien zugeschrieben, gefertigt um 1865. Das regelmässige Oval als Rückenelement ist von unvergleich-barer Eleganz und in dieser Form weder bei Thonet noch Kohn oder anderen Herstellern zu finden.
Josef Neyger Wien, hier die Fauteuil-Variante zu oben abgebildetem Sessel, original ohne Fussreif, wie das bei einigen Neyger-Möbeln anscheinend modellbedingt und wohl bedacht so ausgeliefert wurde.
Josef Neyger Wien zugeschrieben, gefertigt um 1865. Motiv Nr. 11 (Rücken-geflecht fehlt).
Josef Neyger Wien zugeschrieben, das Fauteuil-Modell um 1865, Motiv Nr. 3 zu unten gezeigtem Sessel von Neyger, Motiv Nr. 3.
Josef Neyger Wien zugeschrieben, gefertigt ca. 1865. Motiv Nr. 3. Einer der elegantesten Stühle in unserer Sammlung! Das erkennen Sie erst, wenn Sie den Stuhl bei uns in Basel in echt besichtigen können.
Josef Neyger Wien zugeschrieben, ca. 1865. Motiv Nr.10.
Es muss also dabei bleiben, die Geschichte um eine mysteriöse Schichtholzmöbeltype einer Firma Josef Neyger aus Wien oder anderen Wiener Tischlern wird vorerst nicht umgeschrieben werden müssen. (Der Importeur Kahn lag übrigens damals etwa 200 Meter von unserem heutigen Wienermöbel-Geschäft in Basel entfernt. Die Anschrift lautete: "Berthold Kahn, Wienermöbel, Basel"). Links: Annonce aus einer Schweizer Zeitung von 1873: "Harmonika Fabrik Georg Heidegger in Passau Bayern". Sitzt der harmonikaspielende Herr wohl auf einem Neygerstuhl?
12. Bugholzstuhl der Schweizer Firma Horgen Glarus Nr. 165 aus dem Originalkatalog von 1928. Bis heute sind nur wenige Kataloge bekannt, welche Aufschluss über Modell-entwicklungen geben können.
11. Beliebtes und heute noch hin und wieder findbares Modell, Fauteuil Nr.11 der Firma Gebrüder Thonet Wien, das gezeigte Modell um 1875, also noch in sehr feinen Holz-querschnitten gefertigt. Später, etwa um 1900 sind die 11er bereits wesentlich robuster gebaut.
10. Fauteuil Nr.15 der Firma Gebrüder Thonet Wien, um 1885, Ausführung in schwarzer Kohlenfarbe. Der 15er kann als vereinfachte Form des 11ers betrachtet werden. Der Sitz ist kreisrund, keine Vorderbein-Kapitelle, die Armlehnen sind nicht eingeschneckt sondern enden flach am Sitz.
09. Seltenes Modell Nr. 34 der Firma Jacob & Josef Kohn, wohl hauptsächlich für den amerikanischen Markt bestimmt. So jedenfalls nachgewiesen in einem für den amerikanischen Markt kreierten Kohn-Katalog um 1880.
08a. Hier die imposante Fauteuil-Variante Nr.33 von Kohn, gefertigt ca. 1890/95.
08. Sessel Nr.33 der Firma Jacob & Josef Kohn Wien, gefertigt um 1900. Sehr elegante Jugendstilform. Beachten Sie den Verlauf der Hinterbeine bis zum Sitzrahmen, schön nicht? Seltenes sehr bequemes Modell.
07a. Sessel Nr.28 in seiner ersten und frühesten Produktionszeit 1875 - 1879. Hier in der Palisander-Immitation. gut zu sehen sind die aneinander-gefügten Teile in der Mitte zur Herzform, eine wohl zu aufwendige und nicht sehr vorteilhafte Konstruktion, welche ab zirka 1879 zur "normalen" gebogenen Form wurde, siehe Modell unten.
07. Sessel Nr.28 Gebrüder Thonet Wien, nachgewiesen seit 1875, das gezeigte Modell stamm von 1915. Zierliches Möbel mit "Herzform" in Sitz- und Rückenteilen. Das Modell gab es auch mit Aussteifungs-bügeln von Sitz zu Lehne und Kapitellen an den Vorderbeinen, was die Optik allerdings eher beeinträchtigt. Es ist auch ein beliebtes Modell für das Musizier-zimmer, dann im Thonetkatalog angeboten mit diversen Holzsitzmustern und mit Sitzhöhe 55cm statt 47cm.
06. Sessel Nr.57 der Firma Jacob & Josef Kohn Wien, gefertigt um 1895. Zierliches Möbel mit "Herzsitzform".
05. Sessel Nr. 31 1/2 von Gebrüder Thonet Wien, nachgewiesen seit mindestens 1883, das gezeigte Modell ist zirka von 1890/95. Die Angabe "1/2" bedeutete bei Thonet den kleineren Sitz-Flächen-Durchmesser von nur 38cm, natürlich bei gleich-bleibender Sitzhöhe von 47cm. Die Hinterbeine bilden den inneren Lehnbogen.
04. Sessel Nr.55 der Firma Jacob & Josef Kohn Wien, gefertigt um 1895. Zierliches Möbel mit feinen Holzquer-schnitten. Sitz-fläche 38cm. Die Hinterbeine bilden den inneren Lehnbogen.
03. Sessel Nr.48 der Firma Fischel Wien, gefertigt um 1885. Die 3 Rückenteile sind miteinander verschäftet und verschliffen und bilden dadurch eine "aus einem Guss" wirkende homogene Rückenlehne. Ausser-gewöhnliche Form und Fertigung für die Bugholz-Fabrikation und den Geschmack der damaligen Zeit. Es gibt auch nachgewiesen eine Fauteuilvariante, also mit Armlehnen. Der 48er wurde nur von Fischel und nur über einen relativ kurzen Zeitraum gefertigt und ist deshalb kaum zu finden, noch in den grossen, uns bekannten Katalogen abgebildet.
02. Sessel Nr.41 der Firma Jacob & Josef Kohn Wien, gefertigt um 1895. Gleiches Modell wie Sessel Nr. 30 von Kohn, jedoch zusätzlich mit geflochtenem Rücken-Medaillon. Sehr elegantes und bequemes Möbel.
01. Sessel Nr.30 der Firma Jacob & Josef Kohn Wien, gefertigt um 1905. Elegantes und formschönes Modell, bei dem der äussere Lehnbogen zum Sitzrahmen verläuft, während der innere Lehnteil die Hinterbeine bildet.
Liebe Besucher, wenn Sie auf unserer Seite bis hierhin gelangt ist, haben Sie sich wohl als Einzelkämpfer von vielen anderen Besuchern losgemacht und sich so manches zum Thema Thonet oder Bugholz von uns um die Ohren schlagen lassen. Da kann unser Poster vielleicht etwas Ruhe einbringen und das Auge darf auf einer gesammelten Ordnung vieler Stuhlformen verweilen.
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